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L. Eulers Vorschlag zur Vereinigung der Neuen Société littéraire mit der Societät der Wissenschaften

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Berlin, November 1743

  1. Vor allen Dingen müssen die Wissenschafften welche tractirt werden sollen unter gewissen Classen gebracht werden. Da nun bey der Alten Societät einmal 4 Classen beliebet worden, so könnte diese Zahl beybehalten werden, jedoch mit dem Unterschied, daß die zwey Philologischen Classen in eine gebracht, und dagegen eine neue unter dem Titul der Philosophie errichtet würde zu welcher nebst denen übrigen Theilen der Philosophie auch die Physica gezehlet werden könnte. Die bißherige Classis Physica aber, weil alle Theile ausser der Physic, eigentlich zur Medizin gehörig, könnte füglicher die Classis Medica genannt werden. Dahero würde man folgende 4 Classes haben. I. die Mathematica, II. die Medica, III. die Philosophica und IV. die Philologica.a

  2. Die Membra Ordinaria können hierauf nach diesen Classen gesetzet werden. Um aber hierinn allem Unfug vorzubeugen, so wird unumgänglich nöthig seyn, daß die Anzahl der Membroru[m] von einer jeglichen Class festgesetzet werde. Diese Zahl könnte nach Beschaffenheit der Umständen entweder auf 5 oder 6 gestellet werden, so, daß man bey allen 4 Classen insgesamt entweder 20 oder 24 Membra Ordinaria haben würde.

  3. Alle diese Membra versammeln sich nebst den Honorariis alle Wochen einmal, nehmlich des Donnerstags nachmittag, auf dem König[lichen] Schloß, allwo immer eine Dissertation vorgelesen wird dergestalt, daß die Materien nach den 4 Classen abwechseln. Ungeacht aber alle Membra allen Versammlungen beywohnen können, so müssen dieselben doch insonderheit verpflichtet seyn alsdann unfehlbar zu erscheinen, wann eine zu derselben Class gehörige Piece vorgelesen wird.b

  4. Damit es aber nimmer an Materien fehle, so kann jederzeit einige Wochen vorher bestimmet werden, wer auf einen jeden Donnerstag eine Dissertation vorlesen wird. Über dieses wird aber auch nöthig seyn, daß ein jeder seine Piece vorher den übrigen Mitgliedern von seiner Class communicire, damit dieselben Zeit haben die Materie zu untersuchen, und ihre Meinung darüber desto gründlicher vorzubringen.

  5. Ausser dergleichen Dissertationen, und wann es etwa gar daran fehlen sollte, wird nicht wenig zu Aufnehmen der Wissenschafften beygetragen werden, wann ein jeder entweder von seiner Correspondenz, oder von anderen merkwürdigen Sachen, welche er angemercket, Nachricht ertheilet. Zu solchem Ende können allso auch in dem Archiv Auszüge von Briefen, oder auch andere Anmerkungen aufbehalten werden.

  6. Damit aber die Correspondenz erleichtert werde, so wäre zu wünschen, daß die Postfreyheit der Societät dergestalt ertheilet würde, daß die über gelehrte Sachen geschriebene Briefe, nachdem dieselben copirt und mit dem Societäts Petschafft versigelt worden, postfrey fortgeschicket werden, ingleichen auch daß die ankommenden Briefe, wann solche an die Societät addressirt worden, ohne Postgeld empfangen werden könnten, dergleichen Freyheit die Kaiser[liche] Academie in St. Petersburg genießet.c

  7. Daß Grosse Herren Sich gefallen lassen, der Societät als Membra honoraria bey zu wohnen gereichet derselben nicht nur auswerts zu besonderer Gloire, sondern die Membra Ordinaria werden auch dadurch angefrischet und encouragirt ein jeder in seiner Wissenschafft alle Kräffte anzuwenden. Es wäre aber zu wünschen, daß einige von diesen Membris honorariis die Direction der Einnahm und der Ausgaben unter dem Titul als Curatores auf sich nähmen, weilen durch derselben Auctorität alle Hinternüße aus dem Weg geräumet und dadurch die Revenuen um ein merkliches vermehret werden könnten.

  8. Wann vier Grosse Herren die Administration der Societät als Curatores auf Sich nehmen wollten, so könnten dieselben Sich in die 4 Classen vertheilen, und bey einer jeglichen Versammlung derjenige das Praesidium führen, welcher Sich zu der Class, daraus vorgelesen wird bekennet. Auf diese Art würde die Mühe dieser Herren erleichtert, und auch zugleich beyder Societäten Statuta so viel als möglich beybehalten werden.d

  9. Anstatt des Vice Directoris, welcher bey der Neuen Societät beliebet worden, könnten nach den Statutis der Alten Societät bey allen 4 Classen aus den Membris Ordinariis Directores constituirt werden, welche die in eine jegliche Class lauffende Angelegenheiten besorgten, und zugleich mit den Herren Curatoribus die Administration der Oeconomie führten.

  10. Ferner würde auch dienlich seyn bey einer jeglichen Class einen besondern Secretarium zu bestellen, weilen die Arbeit für eine Person zu schwehr fallen würde.

  11. Die Administration der Oeconomie und übriger Angelegenheiten der Societät, könnte allso von den Herrn Curatoribus mit Zuziehung der Directoru[m] und Secretarioru[m] von den Classen geführet werden, zu welchem Ende dieselben Monathlich einmal nach Endigung der Ordinairen Assemblee beysammen bleiben, wann aber Sachen von größerer Wichtigeit vorfallen, dieselben hierauf der sämmtlichen Versammlung vortragen könnten. Diese Monathliche Versammlung würde allso mit dem Concilio der alten Societät übereinkommen.

  12. Der fürnehmste Punkt wird aber auf die Benennung der Membroru[m] Ordinarioru[m] von einer jeglichen Class ankommen, zu welchem Ende man aus allen bißherigen Mitgliedern so wohl der alten als neuen Societät die habilsten auslesen, und mit denselben alle Classen besetzen müßte. Soches aber müßte nothwendig unmittelbar von Ihro König[lichen] Majestät auf die Vorstellung der Herren Curatoru[m] geschehen.

  13. Bey künftighin entstehenden Vacanzen aber muß sich eine jegliche Classe nach einigen tüchtigen Subjectis umsehen und solche den Herren Curatoribus als Canditatos vorstellen, welche hierauf aus denselben unter Ihro König[lichen] Majestät Auctorität die Vacanten Stellen besetzen.

  14. Damit in Ansehung der Auswärtigen Mitglieder die Ehre der Societät beständig erhalten werde, so ist unumgänglich nöthig eine gewisse Anzahl derselben fest zu setzen, und dieselbe nimmer zu überschreiten. Eine jegliche Class könnte allso 6 auswärtige Membra aus den berühmtesten Leuten haben, und mit denselben in Correspondenz stehen; wann aber einer von denselben mit Tod abgehet so muß die Class zu Besetzung dieser erledigten Stelle entweder 2 oder 3 berühmte Männer dem Concilio vorstellen, aus welchen hierauf immediate von Ihro König[lichen] Majestät (wie in Paris zu geschehen pflegt) einer ernennet werden müßte.

  15. Aus den Piecen, welche von den Membris so wohl honorariis als ordinariis proponirt und auch von den Auswärtigen Mitgliedern eingeschickt werden, können jährlich die besten ausgelesen und daraus ein Volumen publicirt werden. Wobey vor allen Dingen festgesetzt werden muß, 1. welcher gestalt die wahl der Piecen angestellt 2. wie groß ein solcher Tomus, und 3. in welcher Sprache die Piecen seyn müssen.

  16. Zu Verlegung dieser Jährlichen Werke wird anfänglich ein Fond erfordert, es ist aber zu vermuthen, daß die darauf gewandten Unkosten mit der Zeit nicht nur ersetzt sondern auch einiger Profit daraus erwachsen werde.



a Von fremder Hand stammt folgende Ergänzung: unter welchen letzern 2 die belles lettres mitbegriffen werden
b Von fremder Hand: Monatlich 1 mal extraordinarie
c Von fremder Hand am Rande des Punktes VI vermerkt: cessat
d Von fremder Hand Einschub: sonderlich der alten Societaet begriffen

Archiv der BBAW, Bestand Preußische Akademie der Wissenschaften, I-I-5, Bl. 76-78; behändigte Reinschrift, egh.