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L. Euler an den Akademiesekretar P. J. de Jariges über die Aufgaben des Astronomen an der Akademie

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Berlin, vor dem 22. November 1742

  1. Was die Berechnung der Ephemeridum auf alle Jahre betrifft, so ist dieselbe erstlich über die maßen mühsam, und raubet dem Astronomo die beste Zeit, welche er so wohl auf die Observationen, als die Cultivirung der Astronomie anwenden könnte. Zweytens scheint diese Arbeit auch gantz unnöthig zu seyn, da dergleichen Ephemerides schon allbereit von andern ausgerechnet und publicirt worden.

  2. Wann die einem Astronomo obligenden Pflichten ausführlicher angezeiget werden sollen, so können solche füglich in zwey Classen zertheilet werden, deren eine die Theorie die andere aber die Praxie der Astronomie in sich begreifft.

  3. Die wahre Theorie der Astronomie bestehet aber hauptsächlich in einer gründlichen Erkenntnüß der sogenannten Newtonianischen Philosophie, als welche nicht nur alle schon erkannten Motus Coelestes sehr herrlich erkläret, sondern auch Anlaß gibt in der Astronomie je länger je mehr Entdeckungen zu machen, und die wahren Bewegungen aller Himmlischen Cörper genauer zu erkennen.
    Durch diese Wissenschaft wird ein Astronomus in Stand gesetzt, nicht nur alle seine Observationen auf einen gewissen Endzweck zu dirigiren, sondern daraus auch allen möglichen Nutzen zu ziehen. Da hingegen ein bloßer Observator öffters nur seine Zeit mit solchen Observationen zubringt, welche entweder überflüssig oder doch so beschaffen sind, daß daraus kein Nutzen gezogen werden kann.

  4. Die Praxis der Astronomie bestehet in Zweyerley Observationen. Zu der ersten Art gehören die allgemeinen Observationen, welche Allezeit, so oft sich dazu Gelegenheit findet angestellt und niemals unterlassen werden müssen. Die andere Art enthält die sonderbaren Observationen, welche nur zu Ausführung eines gewissen Vorhabens und zu Untersuchung eines besonderen Phaenomeni angestellet werden, worauf man entweder durch die Theorie oder durch die Observationen selbst ist geleitet worden.

  5. Unter den allgemeinen Observationes ist die Regulirung der Uhren die fürnehmste, indem ohne eine genaue Bestimmung der Zeit keine andere Observation den geringsten Nutzen haben kann. Hiezu werden nur einige gute Pendul Uhren erfordert, welche beständig durch die Culminationes solis et praecipuarum stellarum fixarum gerichtet werden müssen.

  6. Hernach müssen auch die Astronomischen Instrumenten, als Quadranten, Sextanten nebst der Linea meridiana fleißig untersuchet, und wo sich ein Fehler äußert, derselbe angemerkt und wo möglich verbessert werden.

  7. Hiezu gehöhret ferner die accurate Bestimmung der Polus Höhe des Observatorii, welche man immer trachten muß durch vielerley Methoden noch accurater heraus zubringen, und hierinn ist auch der sicherste Weg enthalten, alle Fehler, welche sich in den Instrumenten finden sollten zu entdecken.

  8. Über dieses muß man sich auch äußerst angelegen seyn lassen die wahre Longitudinem sowohl des Observatorii als anderer Orten zu bestimmen, und deswegen muß man keine Gelegenheit vorbeylassen, die Eclipses Solis, Lunae, Satellitum Jovis, ingleichen auch die Occultationes Stellarum fixarum a luna auf das fleißigste zu observiren, damit man, wenn solche Phaenomena auch anderwärts observirt werden, aus der Comparatione Observationum die differentiam Longitudinum schließen könne.

  9. Zu den Allgemeinen Observationen müssen auch gezehlet werden alle außerordentlichen Phaenomena, welche sich an dem Himmel eräugnen, als da sind die Lumina borealia, die cometen und die Veränderungen, welche bisweilen an den Stellis fixi vorgehen, worauf demnach ein Astronomus insbesondere aufmerksam seyn muß.

Archiv der BBAW, Bestand Preußische Akademie der Wissenschaften, I-III-1a, Bl. 450; behändigte Reinschrift, egh.